Tag 4 (18. Juli)
Die Nacht verbringen wir auf den Luftmatratzen im Wohnzimmer meiner Schwiegereltern. Nach dem Frühstück verkrümel ich mich allein auf den Balkon und versuche immer noch emotional wieder in die Reihe zu kommen. Wir können uns heute Zeit lassen, denn der Großteil, denken wir, ist getan. Heute wollen wir als Familie die letzten kleineren Arbeiten erledigen. Ab hier kommen wir bestimmt alleine klar. Mit dem geliehenen Nasssauger die restlichen Pfützen aufsaugen, Kacheln schrubben und die getrockneten Fotos einsammeln. Alles wird gut! Erst mal Kaffee trinken und durchatmen.
Am späten Vormittag kommen wir zurück in unsere Rösrather Siedlung. In allen Straßen dröhnen laut die Notstromaggregate und ich stelle auch unser Gerät in den Vorgarten, damit er in die Kakophonie mit einstimmt. Dann beginnt der Kampf meiner Frau und meiner Jüngsten gegen den Schmutz. So lange die Bodenkacheln feucht sind, sehen sie nach dem Putzen gut aus. Wenn sie trocknen, kehrt selbst auf die bestpolierte Kachel das Beigebraun des Schlamms zurück. Eine Sissiphusarbeit.
Derweil kämpfe ich mit dem Aggregat. Es läuft ein paar Minuten, säuft dann aber ab. Es nutzt alles nichts. Ich rufe den Eigentümer des Gerätes an und er nimmt sich später wirklich die Zeit, vorbeizuschauen. Meine Sorge, dass ich in der Bedienung was falsch gemacht habe, ist Gott sei Dank, unbegründet. An zig verschiedenen Stellschrauben justiert der Mann, schraubt und hämmert eine Stunde lang, bis die Maschine wieder läuft. Der Gute ist übrigens kein Mechaniker, sondern Dachdecker.
Einer unserer Nachbarn hat sich bereits gestern einen Container hinstellen lassen. Bei ihm ist nicht nur der ganze Hausrat rausgeräumt worden. Bei ihm wird auch der Estrich rausgeschlagen. Mit Unbehagen beobachte ich, wie mit Schubkarren der Bauschutt herausgekarrt wird.
„Der kennt doch Leute vom Bau“, erinnert mich meine Frau. Ja, vielleicht will er es nur besonders gründlich machen, oder so … Wenn Wasser unter dem Estrich ist, kann man das doch von einer Fachfirma durch eine Bohrung absaugen lassen. Ich habe sogar schon eine entsprechende Empfehlung von Carina erhalten. Das war um 16:23 Uhr.
Um 17 Uhr weiß ich dann, dass es mit absaugen nicht getan sein wird: Da die Isoliermatten zwischen Estrich, Styropor und Betonboden falsch verlegt sind, erfahre ich von dem Nachbarn, kann das Wasser nicht richtig abgesaugt werden. Das Haus würde immer feucht bleiben und die Wände Schimmel ansetzen. Die Nachricht zieht mir einmal mehr den Boden unter den Füßen fort. Mit aller Fassung, die ich aufbringen kann, erkläre ich meiner Frau die neue Situation. Sie lässt den Putzlappen fallen. „Dann kann ich mir das Kachelputzen wohl sparen.“ Ja, so kann man das auch zusammenfassen.
Ich chatte mit Rainer. Zeitindex 17:28. „Was ist mit dem Estrich?“
„Der muss komplett raus.“
„Wird der zentral entsorgt?“
Zwischenspiel. Die Stadtverwaltung Rösrath hat ihre Büros und das Rathaus in Hoffnungsthal. Auch diese Häuser sind vom Hochwasser betroffen. Die einzigen öffentlichen Verlautbarungen der Bürgermeisterin bis zu diesem 18. Juli kann man folgendermaßen zusammenfassen: „Bitte bringen Sie keine Hilfsgüter, keine Spenden. Wir können uns nicht um Ihre Keller kümmern. Wir sind für Ihre Fragen nicht erreichbar. Reisepässe und Personalausweise können Urlauber gerne abholen kommen.“ Es braucht eine Woche, bis die grüne Bürgermeisterin auf der Homepage schreibt: „Erst jetzt wird mir das volle Ausmaß der Katastrophe in Rösrath bewusst.“ Aber mehr Informationen in Bezug auf Maßnahmen, Hilfen oder andere Hinweise findet man nicht. Später, am vierten Freitag des Monats wird sie auf einen offenen Brief auf Facebook antworten, dass sie für die Fragen und Nöte ihrer Bürger immer ein offenes Ohr hat und man könne sie an jedem vierten Donnerstag im Monat gerne anrufen.
Ich lasse das an dieser Stelle unkommentiert, weil ich kein Politikerbashing betreiben soll.
Der Bauschutt wird nicht zentral entsorgt. „Nein“, antworte ich Rainer also, „Wir versuchen morgen Handwerker zu bekommen. Und Container. Ich könnt‘ grad wieder kotzen. ;)“
Rainer zeigt sich wieder ganz pragmatisch: „ Container ist wichtig. Sonst reißen wir ihn morgen raus. Ist ja keine Fußbodenheizung. 2 Schubkarren werden gebraucht. 10kg Hammer, Kreuzhacke und Flachschaufel hab ich.“
Also morgen Estrich stemmen.
Aber dann wird wohl die Abwärtsspirale ein Ende finden. Denke ich …