„Buchstabentanz“ ist eine Kurzgeschichte, die ich im Rahmen eines Schreibprojekts des Autorenforums „Federfeuerfeuer“ geschrieben habe. Leider wurde das Projekt nie fertiggestellt und das Federfeuer gibt es auch nicht mehr.
Beim Aufräumen meiner Festplatte bin ich nun über diesen einige Jahre alten Text gestolpert und habe erstaunt festgestellt, dass er inzwischen wieder unangenehm aktuell geworden ist.
Der Buchstabe im Setzkasten der Druckerei ruhte. Der Tanz war vorbei. Kein vor, kein zurück. Harmlos steckte er zwischen Seinesgleichen. Nichts ließ erahnen, was er gerade eben noch bedeutet hatte. Nichts zeigte seine nächste Bestimmung. Der einzelne Buchstabe war hier bedeutungslos, nur einer von vielen.
War er Teil eines okkulten Textes, schrieb er als nächstes die Bibel? Transportierte er einen Teil des Sinns mit sich oder war er nur ein Laut, der stumm auf Papier gedruckt wurde?
In ihm steckte der ganze Kosmos jeder Wahrheit, jeder Lüge und jeder Phantasie. Doch im Augenblick war er nichts.
Das Wunderbare und zugleich Teuflische an Buchstaben ist nicht die Möglichkeit, eine Botschaft zu vermitteln. Es ist viel mehr die Fähigkeit, die Gedanken dahinter zu tragen. Wichtig ist nicht nur, was die Worte sagen, sondern auch, was zwischen den Zeilen steht.
Darf alles geschrieben werden? Und will alles erzählt sein?
Dem Setzer war dies egal. Er griff nach dem in Form gegossenen Blei und steckte das „K“ links neben die bereits positionierten Buchstaben. Spiegelverkehrt stand dort nun „Mein K“. Der Setzer griff nach dem nächsten Letter. Ein „a“.
Der Buchstabentanz ging weiter.
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