Vor vier Jahren hätte ich nicht gedacht, dass diese fast acht Jahre alte Geschichte nochmal aktuell wird.
Der Knopf
„Eine Geschichte, bei der man das Ende schon kennt, die braucht man doch nicht zu erzählen“, flüsterte Donald. Dabei leckte er sich nervös über die Lippen. Er musste ein Kichern unterdrücken. Wenn sie ihn beobachten würden … Was sollten sie von einem Chef denken, der kichert? Er blickte sich hektisch um. War da vielleicht irgendwo eine Kamera versteckt? Prüfte man ihn?
„Das ist so … Klischee“, beschwerte er sich beim Schicksal. „Ich meine: Ein Knopf. Auch noch in rot.“ Jetzt hatte er doch kurz gekichert.
Das Pult stand inmitten eines ansonsten leeren Raumes. Und in der Mitte des Pults hatte man einen Knopf installiert. So einen großen Buzzer, wie man ihn aus Quizshows kennt. Aus Versehen konnte man ihn nicht drücken.
Neben dem Knopf hatte ein Assistent eben noch einen kleinen Zettel angebracht. Ein gelbes PostIt. Jemand hatte mit Kugelschreiber darauf geschrieben und mit pinkem Textmarker eine deutliche Linie darüber gezogen. Jetzt leuchtete die unmissverständliche Botschaft im Licht der Neonröhre: „Nicht drücken.“ Warum, das stand da nicht. Und den Assistenten konnte man auch nicht fragen, denn der hatte den Raum eiligen Schrittes wieder verlassen.
„Nicht drücken.“ Donald las den kurzen Satz zum bestimmt zehnten Mal. Klar! Nicht drücken. Das musste ein Test sein! Am liebsten wäre er zur Tür herausgelaufen. Der Assistent hatte abgesperrt.
„Natürlich werde ich den Knopf nicht drücken“, sagte Donald laut. Es bestand ja die Möglichkeit, dass unter dem Pult ein verstecktes Mikrophon seine Worte aufzeichnete. Demonstrativ streckte er den Rücken, schob energisch das Kinn vor und … ballte die Hände zu Fäusten.
Der Knopf. Er war bestimmt nicht größer geworden. Plastik konnte sich nicht auf so unauffällige Weise ausdehnen. Er konnte gewiss auch nicht pulsieren.
Glaubten die anderen wirklich, dass sie ihn übertölpeln konnten? Mit einem Knopf seinen Willen brechen? Er war der Chef. Der starke Mann im Haus. Deshalb musste er sich auch von niemandem zwingen lassen. Das hatte er nicht nötig.
Er wischte sich eine Schweißperle von der Stirn.
Unter dem Pult war kein Mikrophon. Inzwischen hatte er nachgeschaut. Keine Kameras, kein Publikum. Nur er. Und dieser verdammte rote Knopf. Wofür er wohl gut war? Warum durfte er ihn nicht drücken? Warum machte man einen Knopf, den man nicht drücken durfte? Der Knopf verlangte es doch. Er forderte es.
Nein. Es war nur ein Knopf. Knöpfe konnten nichts fordern. Schon gar nicht vom Chef. Andererseits …
Donald kicherte nicht; er lachte.
Niemand würde es erfahren. Wahrscheinlich würde auch nichts passieren. Es war ja auch nur ein Knopf. Außerdem konnte er ja auch immer noch behaupten, dass er es nicht gewesen sei. Oder es sei ihm ohne wirkliche Absicht passiert. Noch besser: Es waren die anderen. Sie! Sie würden den Knopf gedrückt haben. Das wäre doch plausibel.
Ein roter Knopf mit dem Hinweis „Nicht drücken“.
„Eine Geschichte, bei der man das Ende schon kennt, die braucht man doch nicht zu erzählen“, flüsterte Donald.